Letztes Wochenende passierte das, was ich seit Jahren nur vom Hörensagen kenne: Der Müggelsee fror zu. Eigentlich hatte ich mich schon darauf eingestellt, dieses Ereignis dank Klimawandel und Erderwärmung nie mehr zu erleben. Aber dann passierte es doch!
So pilgerten wir am Sonntag Mittag im strahlenden Sonnenschein zum See, die Schlittschuhe in einer großen Einkaufstasche über der Schulter. Statt den üblichen Trampelpfad neben dem kleinen Wasserlauf zu benutzen, können wir nun AUF dem breiten Bach gehen. Ein herrliches Gefühl! Links und rechts probieren sich die ersten schon auf Kufen, trotz des holprigen Eises unter den Weiden, es ist ein lustiges Gestolper und Gekicher. Dann öffnet sich vor uns die Weite des Sees unter dem strahlend blauen Himmel. Es ist ein wunderschöner Anblick. Von jung bis alt, alles was zwei Beinchen zum Laufen hat, vergnügt sich hier. Zwei Mädchen lassen sich prustend von ihrem Hund über`s Eis ziehen, die Kleinsten werden auf Schlitten gehievt, es gleitet ein betagtes Ehepaar in baugleichen curryfarbenen Winterjacken sanft auf Schlittschuhen an mir vorbei. Mutig! Junge Männer haben sich mit Schuhen und Taschen ein Eishockeyfeld abgesteckt, dazu ertönt fluffiger Elektropop aus einem mitgebrachten Lautsprecher. Die großzügige Weite des Sees lässt jedem genug Platz, es herrscht nirgendwo Gedränge oder Enge.
Da hören wir von Ferne einen Hubschrauber herannahen. Wir schaudern: Ist es ein Rettungseinatz? Ist doch jemand eingebrochen? Aber nein, es ist ein Polizeihubschrauber. Er geht tiefer und dreht filmreif mit der Front zum Ufer. Ziemlich James-Bond-mäßig, der Auftritt. Eine Durchsage ertönt: Wir mögen doch bitte alle auf kürzestem Wege das Eis verlassen und zum Ufer gehen. Es habe nämlich schon etliche Stürze gegeben!
Die Menschen halten inne, blicken nachdenklich gen Hubschrauber. Niemand rührt sich. Dann steigt er, dreht ab und fliegt über den See davon. Stille. Wir sehen uns vorsichtig um. Und dann passiert: Nichts. Alle machen völlig ungerührt mit genau dem weiter, was sie vorher auch getan haben. Das Eishockeyspiel geht weiter, der Hund kläfft, die Popmusik spielt, die Kinder kreischen.
Verdutzt habe ich mich gefragt: Hätte sich die gleiche Szene vor einem Jahr genau so abgespielt? Hätte sich da auch niemand einen Pfifferling geschert um den spektakulären Polizeiauftritt?
Oder zeigt sich hier, dass viele Menschen durch die unzähligen Maßnahmen, die ihr Leben seit Monaten bis ins kleinste Detail regulieren und reglementieren, schlicht autoritätsmüde geworden sind?
Auf diesem gigantisch großen, sonnigen Eisspielplatz war wahrlich genug Raum für alle. Es wurden keine Abstandsregeln verletzt, das Eis trug. Gab es wirklich einen Grund, sich dieses unschuldige Vergnügen polizeilich verbieten zu lassen? Das bezweifelten die Bürger/innen offenbar. Und wir, ehrlich gesagt, auch.
Liebe Ruth, das zu lesen, wirkte erfrischend auf mich und die Zuhörer! Schön!